Besteht weder ein Betriebsrat noch ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat kann der Wahlvorstand zur Wahl des Betriebsrats in einer Betriebsversammlung gewählt werden. Findet diese trotz Einladung hierzu nicht statt oder wird dort kein Wahlvorstand gewählt, bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 17 Abs. 4 BetrVG). Dies gilt auch dann, wenn die Teilnehmenden der Betriebsversammlung mehrheitlich eine Vertagung dieser Versammlung mit der Folge beschließen, dass kein erster Wahlgang zustande kommt. Die Fortsetzung der vertagten Wahlversammlung ist keine Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
In einem Unternehmen bestand noch kein Betriebsrat. Drei wahlberechtigte Arbeitnehmer luden zu einer Betriebsversammlung für den 18. April 2019 ein, um dort durch die Teilnehmenden einen Wahlvorstand wählen zu lassen. Auf der Betriebsversammlung diskutierten die Anwesenden kontrovers und beschlossen schließlich mehrheitlich, die Betriebsversammlung – ohne konkrete Verabredung eines weiteren Termins – zu vertagen. Hiergegen haben sich die drei einladenden Arbeitnehmer zumindest nicht gewehrt. Im Anschluss haben sie sich aber an das Arbeitsgericht Lübeck (Az: 1 BV 36/19) gewandt und die Bestellung des Wahlvorstands durch das Gericht beantragt, ohne die vertagte Betriebsversammlung abzuwarten. Diese hat allerdings bis zum 22. Januar 2020 auch noch nicht stattgefunden.
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat die Bestellung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht Lübeck bestätigt.
Die gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands kann nach § 17 Abs. 4 BetrVG nur, aber auch stets dann erfolgen, wenn es den Arbeitnehmern des Betriebs nicht gelungen ist, auf einer Wahlversammlung, zu der ordnungsgemäß eingeladen wurde, einen Wahlvorstand zu wählen. Dadurch wird der Vorrang der Belegschaft des Betriebs gesichert, selbst einen Wahlvorstand nach ihren Vorstellungen einzusetzen. Nach § 17 Abs. 3 BetrVG soll allen betroffenen Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet werden, ihre eigenen kollektiven Interessen durch eine Beteiligung an der Initiative zur Bildung eines Betriebsrats selbst wahrzunehmen, bevor es zur gerichtlichen Bestellung eines Wahlvorstands kommt. Hier hat die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand gewählt, hatte jedoch die Chance dazu. Durch den letztendlich mehrheitlich gefassten Beschluss, die Versammlung ohne Festlegung eines konkreten „Fortsetzungstermins“ zu „vertagen“, ist die ordnungsgemäß einberufene Wahlversammlung objektiv erfolglos geblieben. Das ist ausreichend, denn auf die Gründe der Nichtwahl eines Wahlvorstandes kommt es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an.
Im Übrigen bleibt es den Arbeitnehmern des Betriebs bis zur Rechtskraft der durch das Arbeitsgericht erfolgten Bestellung eines Wahlvorstands unbenommen, selbst in einer weiteren Betriebsversammlung einen Wahlvorstand zu wählen. Durch diese Subsidiarität sind die Rechte der Belegschaft auf Selbstorganisation weiterhin geschützt.
LAG Schleswig-Holstein, 22.01.2020 – Az: 3 TaBV 23/19
ECLI:DE:LARBGSH:2020:0122.3TABV23.19.00
Quelle: PM des LAG Schleswig-Holstein