Welches Wahlverfahren? Wann gilt das vereinfachte Wahlverfahren?
Da das normale Wahlverfahren kompliziert ist, gibt es für kleinere Betriebe das vereinfachte Wahlverfahren (§14a BetrVG). Es beinhaltet kürzere Fristen und nur einzelne Personen treten gegeneinander an. Diejenigen mit den meisten Stimmen werden in den Betriebsrat gewählt (Mehrheitswahl). Wann welches Verfahren möglich ist, bestimmt sich nach der Größe eines Betriebes.
Bis 100 Beschäftigte:
Das sogenannte vereinfachte Wahlverfahren wird für Betriebe mit 5-100 wahlberechtigten Beschäftigten zwingend verpflichtend (§14a Abs. 1 BetrVG). Der Wahlvorstand hat keine Alternative im Wahlverfahren.
Ab 101 bis 200 Beschäftigte:
Bei Betrieben, die zwischen 101 und 200 wahlberechtigte Beschäftigte haben, kann der Wahlvorstand wählen zwischen dem vereinfachten und dem normalen Verfahren. Dies gilt seit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes, Juni 2021, gem. §14a Abs.5 BetrVG.
Das vereinfachte Wahlverfahren kann für Betriebe dieser Größe zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber vereinbart werden. Die kurzen Fristen des vereinfachten Wahlverfahrens, in der Regel könnte es in zwei Wochen durchgeführt werden, könnten einen Beitrag zur Reduzierung der Behinderung von Betriebsratswahlen in kleineren Betrieben leisten, so die Gesetzesbegründung zu dieser Neuerung.
Ab 201 Beschäftigte:
Ab 201 Beschäftigte muss zwingend das normale Verfahren zur Anwendung kommen.
Wo liegt der Unterschied zwischen den beiden Wahlverfahren?
Das vereinfachte Wahlverfahren soll in kleineren Betrieben das komplizierte Wahlverfahren vereinfachen. Es gelten kürzere Fristen, in der Regel könnte es in zwei Wochen durchgeführt worden, während das normale Wahlverfahren ca. sechs Wochen dauert.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt im Wahlsystem. Im vereinfachten Wahlverfahren findet immer eine Personenwahl (Mehrheitswahl) statt. Hier werden die Stimmen direkt für einzelne Wahlbewerberinnen oder Wahlbewerber abgegeben.
Das normale Wahlverfahren wird als Listenwahl (Verhältniswahl) durchgeführt. Dabei stimmen die Wähler nicht für Wahlkandidaten, sondern für eine Vorschlagsliste. Der Wähler hat nur eine Stimme und gibt diese einer Liste. Gibt es allerdings nur eine Vorschlagsliste und stehen damit nur die auf dieser Liste stehenden Personen zur Wahl, kommt es auch beim normalen Wahlverfahren zur Personenwahl (Mehrheitswahl). Hier hat der Wähler so viele Stimmen wie Mitglieder in den Betriebsrat zu wählen sind.
Wahlvorstand, ja selbstverständlich! Aber wer trägt die Kosten?
Die Mitglieder des Wahlvorstand nehmen das Amt, wie auch beim Betriebsrat, unentgeltlich war. Der Wahlvorstand ist ein Ehrenamt. Sämtliche durch die Tätigkeit entstehende Kosten trägt der Arbeitgeber. Für die Zeit der Arbeitsversäumnis, die durch die Tätigkeit als Wahlvorstandsmitglied entsteht, ist der Arbeitgeber verpflichtet das Arbeitsentgelt fortzuzahlen (§20 Abs.3 BetrVG).
Auch die gerechtfertigte Teilnahme des Wahlvorstandsmitgliedes an Schulungsveranstaltungen ist vom Arbeitgeber zu dulden und die Kosten zu tragen. Erforderliche Aufwendungen wie zum Beispiel Fahrt und Reisekosten sind ebenfalls zu ersetzen.
Betriebsratswahlen – Neue Wahlordnung beschlossen.
Am 8.10.2021 hat der Bundesrat die neue Wahlordnung beschlossen. Eine Änderung und Anpassung der Wahlordnung war durch das bereits in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz notwendig geworden. Die Arbeit der Wahlvorstände soll damit in vielen Punkten erleichtert werden. Viele Details des Wahlverfahrens wurden neben der Anpassung an das neue Gesetz komplett neu geregelt.
Wahlvorstandssitzung per Video- oder Telefonkonferenzen zulässig
- Für den Wahlvorstand sind ab sofort auch Sitzungen und Beschlussfassungen per Video- oder Telefonkonferenz möglich. Der Wahlvorstand entscheidet allein ob und in welchem Umfang davon Gebrauch gemacht wird. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, die Durchführung der Sitzungen, etwa aus Kostengründen, mittels Video- und Telefonkonferenz zu verlangen. Allerdings enthält die Wahlordnung eine sogenannte Negativliste. Hier ist geregelt, dass für sensible Themen keine Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht kommen:
- Prüfung eingereichte Vorschlagslisten
- Prüfen von Vorschlagslisten, nachdem sie aufgrund einer Beanstandung des Wahlvorstands korrigiert wurden
- die eigentliche Stimmauszählung
- Bearbeitung der Briefwahlunterlagen
- Durchführung eines Losverfahrens
- erste Wahlversammlung im vereinfachten zweistufigen Wahlverfahren (§ 14a Abs. 1Satz 2 BetrVG)
Korrekturen an der Wählerliste länger möglich
- Die Wählerliste hat eine erste entscheidende Bedeutung bei der Betriebsratswahl. Denn, wählen kann nur, wer in der Wählerliste eingetragen ist. Häufig müssen an ihr aus unterschiedlichen Gründen noch Korrekturen vorgenommen werden. Das war bislang nur bis zum Tag vor Beginn der Stimmabgabe möglich. Mit der Änderung der Wahlordnung sind nun Korrekturen an der Wählerliste noch bis zum Abschluss der Stimmabgabe am Tag der Wahl zulässig. Damit können Arbeitnehmer, die zeitnah, also kurzfristig, vor der Wahl in einen Betrieb eingestellt oder umgesetzt wurden möglicherweise auch an der Wahl teilnehmen, wenn sie noch am Tag der Wahl in die Wählerliste eingetragen werden.
Abschaffung der Wahlumschläge bei Präsenzwahlen
- Aus ökologischen Gründen und zwecks Vereinfachung für die Stimmauszählung entfallen ab sofort die Wahlumschläge bei der Urnenwahl. Wie aber wird die Geheimhaltung gewährleistet? In vorgegebener und bestimmter Weise werden die Stimmzettel gefaltet, sodass nicht erkennbar ist, wie gewählt wurde. Die Briefwahlstimmen hingegen kommen nach wie vor in einen Umschlag.
Erweiterung der Briefwahl
- Der Wahlvorstand darf Wahlberechtigten, die längere Zeit nicht im Betrieb anwesend sind, ohne gesondertes Verlangen die Wahlunterlagen zusenden.
Auszählung der Briefwahlunterlagen
- Die Brief Wahlumschläge werden künftig erst nach der Stimmabgabe zu Beginn der öffentlichen Sitzung, in der die Stimmauszählung erfolgt, bearbeitet werden.
Wahlvorstand hat mehr Spielraum bei Fristen
- Neu ist, der Wahlvorstand kann bestimmen, bis wann ihm fristgebundene Erklärung zugehen können:
- die Frist für den Einspruch gegen die Wählerliste
- die Fristen für die Einreichung von Vorschlagslisten
- die Fristen für Erklärungen bei Mängeln eingereichter Vorschlagslisten
- Diese Fristen enden laut Gesetz am letzten Tag der Frist um 24 Uhr. Der Wahlvorstand kann nun bestimmen, dass diese Frist verkürzt wird und auf das Ende der Arbeitszeit im Betrieb oder auf das Ende der Dienststunden des Wahlvorstands begrenzt wird, wenn dieser Zeitpunkt nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der Arbeitnehmer liegt.
Was bedeutet Kündigungsschutz?
Der Kündigungsschutz für Initiatoren einer erstmaligen Betriebsratswahl gilt künftig vor dem Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Der neue §15 Abs. 3b KSchG bezweckt den Schutz der Vorfeld – Initiatoren, d. h. derjenigen Arbeitnehmer, die sich vor der Veröffentlichung des Einladungsschreibens zu einer Wahlversammlung für die Gründung eines Betriebsrats einsetzen. Die Betriebsratsgründer sollen an den Vorbereitungen einer Wahl somit nicht gehindert werden können. Das Gesetz schützt von nun an die ersten sechs im Einladungsschreiben genannten Arbeitnehmer vor verhaltens- und personenbedingter ordentlicher(nicht fristloser!) Kündigung.
Der Kündigungsschutz hat zwei Voraussetzungen, die nebeneinander vorliegen müssen:
- Der Arbeitnehmer muss eine klar erkennbare Vorbereitungshandlung für die Errichtung eines Betriebsrats unternommen haben. Darunter fallen zum Beispiel Gespräche mit anderen Arbeitnehmern um die Unterstützung für eine Betriebsratswahlgründung zu ermitteln oder bereits das Sammeln von Informationen rund um die Wahl und deren Ausführung.
- Der Arbeitgeber muss eine öffentlich beglaubigte Erklärung nach § 129 BGB mit dem Inhalt abgeben, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat zu gründen. Die Absichtserklärung kann selbst verfasst werden und sollte Name, Geburtsdatum und Adresse des Arbeitnehmers enthalten, sowie die konkrete Bezeichnung des Betriebes in dem der Betriebsrat zu gründen ist. Nach den Vorgaben des § 129 BGB muss die Unterschrift unter der Absichtserklärung des Arbeitnehmers von einem Notar beglaubigt werden.
Was bedeuten Stützunterschriften und deren Veränderung?
Alle wahlberechtigten Arbeitnehmer können Kandidaten für die Betriebsratswahl vorschlagen. Damit nur ernst gemeinte Bewerber auf die Wählerliste kommen, die eine Chance auf Erfolg haben, müssen sogenannte Stützunterschriften gesammelt werden. Das bisherige komplizierte Verfahren wurde durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz stark erleichtert:
- in Betrieben bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern sind keine Stützunterschriften mehr nötig.
- In Betrieben mit in der Regel 21-100 Arbeitnehmern wird künftig die Unterzeichnung durch zwei Wahlberechtigte ausreichen
- die allgemeine Mindestzahl von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern entfällt zudem künftig, vielmehr soll ab einer Betriebsgröße von in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmern die Unterzeichnung durch mindestens ein Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer ausreichen.
Wer darf den Betriebsrat wählen?
Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt! Das aktive Wahlrecht steht allen Arbeitnehmern ab dem 16. Lebensjahr zu. Wer als Minderjähriger mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters ein Arbeitsverhältnis eingeht, sollte auch alle damit zusammenhängenden Rechte genießen.
Anfechtungsrecht der Betriebsratswahl?
Das Modernisierungsgesetz steigert die Rechtssicherheit der Betriebsratswahlen. Das Anfechtungsrecht der Beschäftigten und des Arbeitgebers werden eingeschränkt, wenn der Anfechtungsgrund auf einen Fehler in der Wählerliste beruht. Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund, die in der jeweiligen Wahlordnung vorgesehene rechtliche Möglichkeit des Einspruchs ordnungsgemäß gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde.
Die Anfechtung durch den Arbeitgeber wegen Unrichtigkeit der Wählerliste ist ausgeschlossen, wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht und somit in seinen Verantwortungsbereich fällt.
Betriebsräte müssen diese Gesetzesänderung kennen und rechtssicher anwenden, um auch weiterhin auf Augenhöhe mit dem Unternehmen zu handeln.
Eine Gesetzesbegründung zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Die betriebliche Mitbestimmung ist eine Säule der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Sie generiert nachweislich Erfolge für alle Beteiligten. Dort, wo Betriebsräte tätig sind, ist mehr Raum für Innovation, sind die Arbeitsbedingungen besser, sind wirtschaftliche Erfolge stabiler und können Krisen besser bewältigt werden.
Änderung der Wahlordnung zur Betriebsratswahl
Eine Zusammenstellung für Wahlvorstand und Betriebsrat. Was ist neu?
Das Bundesarbeitsministerium überarbeitet derzeit die Wahlordnung. Wichtige Änderungen des Wahlrechts sind bereits durch das seit 18.6.2021 gültige Betriebsrätemodernisierungsgesetz erfolgt. Der vorliegende Referentenentwurf vom 28.7.2021 enthält weitreichende Änderung, die über eine reine Anpassung hinausgehen.
Wahlvorstände sollen ihre Sitzungen künftig per Videokonferenz abhalten können. Wahlumschläge entfallen, die Briefwahl wird ausgeweitet. Die wichtigen geplanten Änderung der Wahlordnung (WO) sollte nicht nur der Wahlvorstand der BR-Wahl frühzeitig umsetzen, sondern auch der noch amtierende Betriebsrat aufmerksam verfolgen.